Dienstag, 29. Mai 2012

Ein Monat in Sicuani

Montag, den 28. Mai 2012:
Sicuani. Eine kleine Stadt in der Nähe von Cusco. Hierhin verirren sich recht selten Touristen. Meistens kommt es mir so vor, als wären ich und die zwei anderen Freiwilligen aus Osnabrück die einzigen. Nachdem ich zuerst nur für 2 Wochen in Sicuani bleiben wollte/sollte/konnte, bin ich mittlerweile sogar sehr froh, dass ich noch mehr Zeit mit den Kindern hier verbringen kann. Zwar ist es sehr schade, dass sich meine Fahrt nach Santo Tomás so sehr verzögert, aber ich bin mit der Alternative, die Regina und Franz für mich organisiert haben, sehr zufrieden. Am 21. Mai bin ich endlich nach Santo Tomás gereist. Insgesamt war ich also ca. einen Monat in Sicuani
Ich arbeitete und lebte also im Casa Nazareth mit 8 taubstummen peruanischen Kindern, 5 kleinen Kindern mit Behinderung, 2 Franziskanerschwestern und 2 deutschen Freiwilligen des Bistums Osnabrück zusammen. Ich brauchte nicht lange, um mich in dem Casa wohl zu fühlen. In der ersten Viertelstunde, die ich dort war, bekam ich meine eigene Gebärde für meinen Namen. Nach wenigen Tagen machte mir die Arbeit richtig Spaß! Schnell lernte ich die ersten Wörter auf Gebärdensprache, um mich mit den gehörlosen Kindern zu verständigen. Total fasziniert beobachtete ich die stummen Gespräche der Kinder, die so schnell sprachen, dass es für mich zuerst unmöglich erschien, auch nur eine einzige Gebärde zu erkennen. Wenn sie sich mir verständlich machen wollten, waren sie allerdings so geduldig, haben sehr langsame Bewegungen gemacht, die Wörter, die sie buchstabieren konnten, buchstabiert, und mit viel Mimik ihre Gebärden unterstützt, sodass es mir schnell möglich war, den Sinn ihrer Aussagen zu entschlüsseln.
Nach 3 Wochen im Casa machte ich die ersten Hausaufgaben mit den Kindern. Fast alle taubstummen Kinder gehen hier auf ganz normale Schulen. Sie sind also schon inklusiert. Für ihr Sozialverhalten ist das natürlich ein Traum, für ihre Bildung allerdings nicht. Denn das einzige, was sie machen können, ist da sitzen und die Wörter von der Tafel abschreiben, die für sie noch nicht mal alle einen Sinn ergeben. Das Examen am Ende ihrer Schulzeit müssen sie trotzdem schreiben. Dabei gibt es in Sicuani eine sehr gute Sonderschule. San Miguel. An der Schule sind 30 Lehrer beschäftigt. 90 Kinder, mit den verschiedensten Behinderungen, haben die Möglichkeit, die volle Aufmerksamkeit ihrer Lehrer zu bekommen. Auf diese Schule gehen 4 unserer Kinder. Zwei Kinder haben Down- Syndrom (Juan y Miguel) und zwei eine geistige Behinderung (Cesar und Arnol); allerdings gibt es keine eindeutige Diagnose, was genau diese Kinder haben. Eines der gehörlosen Mädchen (Isaura) hat noch die Möglichkeit an der Sonderschule viel Förderung zu bekommen. Die anderen (Franklin, Albino, Fabian, Shirley, Dina, Elisabeth) besuchen, wie gesagt, reguläre Schulen. Außerdem leben noch Rosa und Jhon im Casa. Rosa ist schon 20 und hat bereits die Schule beendet. Sie ist auch taubstumm und hilft nun im Casa viel mit und lernt kochen. Jhon ist blind und hat auch eine geistige Behinderung. Er lag im letzten Jahr im Krankenhaus in Cusco, weil es eine Operation am Kopf hinter sich hat. Nun ist er wieder im Casa, kann allerdings nicht zur Schule gehen. Soviel zu den Kindern, die hier leben.
Die Aufgabe der Freiwilligen hier ist gar nicht klar definiert. Zwar bringen sie die kleinen Kinder zur Förderschule, holen sie wieder ab, machen Hausaufgaben mit den Großen und spielen was mit den Kleinen. Aber eigentlich kann man es als ein großes Miteinanderleben bezeichnen. Manchmal erweist sich das als ein bisschen schwierig, aber im Großen und Ganzen ist es angenehm. Sehr ungewohnt, denn in Deutschland ist immer alles sehr organisiert und zeitlich eingeteilt und Aufgaben klar verteilt. An das komplette Gegenteil muss man sich gewöhnen, wenn man nach Perú geht für längere Zeit. 
Jeden Nachmittag in der Woche kommt eine Psychologin ins Casa, um die Kinder zu fördern und mit ihnen zu arbeiten. Das macht den Kindern auch Spaß und ist neben dem Besuch der Schule San Miguel sehr fördernd für sie. Manchmal macht sie auch Hausaufgaben mit den Gehörlosen.
Abwechslungsreich wird der Alltag manchmal durch einige Ausflüge. Zum Beispiel ist der 1. Mai in Perú auch ein Feiertag. An diesem Tag waren wir bei den „heißen Quellen“ (aguas calientes). Darauf habe ich mich gefreut, klar, denn es gab heißes Wasser dort! Diese heißen Quellen, sind sehr einfach gemacht. Das Wasser aus dem Gestein läuft in ein Becken und dort können die Menschen baden. Natürlich wollten das alle Kinder sehr gerne. Das Problem ist nur, dass die Kinder alle nie gelernt haben zu schwimmen. Generell können hier nicht halb so viele Menschen schwimmen wie in Europa. Zudem war das Becken so tief, dass ich zwar geradeso stehen konnte, aber die Kinder oder sowieso Peruaner leider nicht. Wir waren also 3 Freiwillige, die während der ganzen Zeit dort, die Kinder von dem einen Beckenrand zum anderen begleitet haben. Und das in heißem Wasser und auf einer Höhe von 4000 Metern und mehr. An dem Abend waren wir alle drei sehr müde.
Für eine gewisse Abwechslung in meinem Monat im Casa sorgten auch die Lehrer in Perú. Ende April beschlossen sie zu streiken. Das bedeutete für Lehrer zwar weniger Arbeit, für uns allerdings mehr. Die Hausaufgaben fielen zwar weg, aber zusätzlich mussten wir die Kleinen nun auch noch morgens betreuen. Unsere halbwegs freien 4 Stunden morgens, die wir für uns hatten, waren nun also auch mit dem Aufpassen auf die Kinder gefüllt. Insgesamt haben die Lehrer zwei Wochen gestreikt. Unvorstellbar, denn ich kann mich noch vage an meine Schulzeit erinnern, die mittlerweile schon sehr lange zurück liegt, habe ich das Gefühl. In Deutschland war eine Stunde Ausfall schon ein sehr großer Verlust! Hier haben die Lehrer es im Vergleich sehr lange ausgehalten!
Jedes zweite Wochenende haben die Freiwilligen in dem Projekt frei. Meistens haben Johanna und Dominik, die beiden Freiwilligen in diesem Jahr, diese freie Zeit genutzt, um nach Cusco zu fahren. Dort konnte man das kaufen, was es vielleicht in einer so kleinen Stadt wie Sicuani nicht gibt. Außerdem ist es einfacher sich von zwei Wochen im Casa zu erholen, wenn man nicht dort ist. Ich war in dem Monat zwei Mal in Cusco mit Johanna. Wir konnten ausschlafen, abends ein bisschen rausgehen und feiern, bei Starbucks einen Kaffee trinken und tolle peruanische Sachen kaufen! Sonntagsnachmittags sind wir in einem Bulli erholt wieder zurück gefahren.

Für mich und meine Pläne von einem Studium im sozialen Bereich, war der Monat eine unheimliche Bereicherung. Ich musste mich an einiges gewöhnen und habe zu vielen neuen Sachen, meine Meinung gebildet. Außerdem hatte ich Johanna und Dominik immer in meiner Nähe, sodass ich immer jemanden hatte, mit dem ich ohne Kommunikationsschwierigkeiten reden konnte. Außerdem kennen die beiden das Land und vor allem das Casa nach ungefähr 9-10 Monaten hier, schon recht gut. Für die beiden heißt es mittlerweile wieder an Deutschland zu denken, und sie fangen schon an, sich von Perú zu verabschieden. Denn am 16. Juni ist für die beiden ihr Auslandsabenteuer vorbei. Auch ich habe mit Erschrecken festgestellt, dass auch ich schon die Hälfte meiner Zeit um habe. Leider, leider. Aber ich hoffe, ich kann die zweite Hälfte genauso genießen.
Über meinen Aufenthalt in Santo Tomás schreibe ich beim nächsten Mal etwas. Meine Finger werden langsam ein bisschen unkonzentriert. In den nächsten Tagen werde ich mich hoffentlich mit neuem Elan an den nächsten Bericht setzen können.
Bis dahin
Maria
P.S.: Ich bin ein bisschen eifersüchtig auf das schöne Maiwetter in Deutschland, denn hier ist es nicht so warm. Aber man kann ja nicht alles haben. ;)


                                                  
                                                                         Miguel.


                                                                          Arnol.


                                                                 Jhon und Albino.


                                                             Spielen auf dem Patio.


                                        Fabian und Albino beim Kartoffeln ernten (oder essen?)
                                                               Franklin und Fabian.


Quinoa waschen.


                                                 Plätzchen backen mit Elisabeth und Dina.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen